Software-Patente (Computer-implementierte Erfindungen)

Weil Software ohne Hardware nicht funktioniert, hat sich für Erfindungen, bei denen Software im Spiel ist, der Begriff “Computer-implementierte Erfindung”, abgekürzt: “CII” gebildet. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit Erfindungen, die “nichtphysische” Anteile (wie eben Software) umfassen, dem Patentschutz zugänglich sind.

Zwar sind nach den Buchstaben des deutschen Patentgesetzes ebenso wie nach dem für Europäische Patente maßgebenden Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) “Programme für Datenverarbeitungsanlagen” vom Patentschutz ausgenommen, allerdings gilt dies nur insoweit, als sich das Patentgesuch auf diese Gegenstände als solche bezieht. Die Formulierung “… als solche” ist allerdings kein handhabbares Kriterium, weil noch niemand definieren konnte, was ein Computerprogramm “als solches” überhaupt ist. Soll es die logisch-funktionelle Darstellung (Flussdiagramm, Algorithmus), der Quellcode in einer Programmiersprache oder etwa der compilierte, ausführbare Binärcode sein?

Bei der Prüfung von Computerprogrammen  (Computer-implementierten Erfindungen) auf Patentierbarkeit stellen das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), das EPA und die Gerichte auf das Kriterium der “Technizität” (oder auf den “technischen Charakter”) ab. Die Technizität kann z.B. darin erkannt werden, dass

  • das Computerprogramm Zahlenwerte verarbeitet, die physikalische Größen repräsentieren (grundlegend hierzu: BGH – “Tauchcomputer”), z.B. in der Messtechnik oder in der Telekommunikation, oder einen technischen Prozess steuert (grundlegend: EPA T 0208/84 – “Vicom”),
  • das Computerprogramm zur Steuerung eines Computers dient bzw. die Funktionsfähigkeit des Computers betrifft (grundlegend: BGH “Seitenpuffer” ), also z.B. Betriebssystem oder Teile hiervon,
  • das Computerprogramm beim Ablauf einen (über das bloße Ablaufen auf dem Rechner hinausgehenden) weiteren technischen Effekt zeigt (grundlegend hierzu: EPA T 1173/97 “Computerprogrammprodukt/ IBM”). Dieser “weitere technische Effekt” kann z.B. darin liegen, dass das Programm besonders ökonomisch mit den HW-Ressourcen umgeht oder dass das Programm eine Maschine oder einen technischen Prozess steuert, vgl. wiederum EPA T 0208/84 – “Vicom“.

Umfasst eine Erfindung sowohl Merkmale, die die obigen Kriterien der Technizität erfüllen, als auch solche, die diese Kriterien nicht erfüllen, so ist zu beachten, dass für die Frage der Technizität die Erfindung “als Ganzes” zu betrachten ist. Eine Erfindung wird nicht dadurch “untechnisch” (und damit dem Patentschutz von vornherein unzugänglich), dass sie eine Anzahl von “nicht technischen” Merkmalen umfasst  – solange sie eben auch “technische” Merkmale umfasst, grundlegend hierzu: EPA T 0258/03 – “Hitachi”).

Diese Grundsätze hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) in der Stellungnahme G 3/08 zur Patentierbarkeit von Computer-implementierten Erfindungen bestätigt.

Allerdings werden nach der ständigen Prüfungspraxis der Ämter und der Rechtsprechung der  EPA-Beschwerdekammern und auch der Gerichte bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nur die im oben beschriebenen Sinn “technischen” Merkmale einer Erfindung berücksichtigt (grundlegend: EPA T 0641/00 – “Comvik“, für Deutschland BGH Xa ZB 20/08 – “Dynamische Dokumentengenerierung”). Dieser Prüfungsansatz, der unter dem Stichwort “modified problem-solution approach” bekannt geworden ist, war allerdings nicht Gegenstand der  Anfrage G 3/08.

Patentansprüche auf Software bzw. Computer-implementierte Erfindungen können gerichtet werden auf:

  • eine Vorrichtung, die programmiert ist, eine erfinderische Funktionsweise auszuführen,
  • ein Computer-implementiertes Verfahren, welches eine erfinderische Verfahrensweise ausführt,
  • ein Computerprogrammprodukt (Datenträger mit Code), welches, wenn in einen Computer geladen, ein erfinderisches Verfahren zur Ausführung bringt.

Selbstverständlich muss die Computer-implementierte Erfindung – ebenso wie jede andere Erfindung – auch den übrigen gesetzlichen Anforderungen an die Patentierbarkeit genügen, muss also neu und erfinderisch gegenüber dem Stand der Technik sein. Zu “Neuheit” und “erfinderische Tätigkeit” siehe Stichwort “Anmeldung eines Patents“.

Zum Schutz von Computerprogrammen durch das Urheberrecht siehe Stichwort “Software-Schutz“.

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